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Mandelblüte in Kalifornien: Bestäuben im Akkord

Sind Bienen gestorben? Imker John Miller prüft einen Bienenstock© Karsten Lemm

Die Straße zu den fleißigen Arbeiterinnen führt schnurgrade durch endlose Felder gut zwei Autostunden östlich von San Francisco, vorbei an Tausenden von Bäumen, die in voller Blüte Spalier stehen, soweit das Auge reicht. "Diese Gegend ist einzigartig auf der Welt", erklärt John Miller, während er seinen schwarzen Pickup-Truck durch die sonnenverwöhnte Landschaft lenkt. "Der Boden, den Sie hier finden, ist so fruchtbar und so perfekt für Landwirtschaft - hier können Sie alles pflanzen, was Sie nur wollen."

Die Welt will, neben Aprikosen, Pflaumen, Walnüssen und anderen kalifornischen Exportschlagern, vor allem Mandeln. Immer mehr. Deshalb hat Miller, ein Imker in vierter Generation, Millionen seiner Bienen aus Nord Dakota nach Kalifornien transportiert. Jedes Bienenvolk in einem weißen Holzkasten, Tausende von Kästen auf insgesamt zehn Lastern, die ihre Ladung über viele Quadratkilometer hinweg in den Plantagen verteilt haben, damit die Bienen ausschwärmen und die Bäume befruchten - etwa vier Wochen lang.

Im Februar beginnt die Bienenwanderung

"Die Honigbiene ist das einzige Insekt, das sich vom Menschen nutzbar machen und transportieren lässt", sagt Miller, und weil Kalifornien etwa 80 Prozent aller Mandeln produziert, beginnt jedes Jahr im Februar eine große Bienenwanderung. Aus allen Himmelsrichtungen bringen Imker ihre Tiere in das Central Valley, das sich auf etwa 700 Kilometern zwischen Pazifikküste und Sierra Nevada durch das Landesinnere des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaats zieht. Die Gegend zwischen Redding und Bakersfield ist Kaliforniens Kornkammer und eines der wichtigsten Anbaugebiete für Früchte und Gemüse.

Kaum etwas hat sich für die Farmer als ähnlich lukrativ erwiesen wie die Mandel. Die nussige Frucht, die sich in Energieriegeln und Schokohörnchen genauso gut macht wie in Marzipan, wird vor allem von Europäern heiß geliebt - ganz besonders von Deutschen und Spaniern. In den vergangenen fünf Jahren stieg der weltweite Verbrauch um mehr als 40 Prozent. Entsprechend legten kalifornische Bauern, die Haupt-Exporteure, immer neue Plantagen an, die zur Blüte immer mehr Bienen verlangen. Etwa 77 Millionen Mandelbäume strecken nun ihre Knospen in den Himmel, und um sie alle zu bestäuben, brauchen die Farmer gut 1,5 Millionen Bienenvölker. "Das sind drei Viertel aller Bienen in den USA", rechnet John Miller vor. "Praktisch jeder Bienenstock, der sich transportieren lässt, wird im Frühjahr hierher gebracht."

Bienen dringend gesucht

Und doch ist das nicht genug. Es herrscht ein dramatischer Mangel an Majas fleißigen Schwestern, denn seit einigen Jahren beobachten Imker in den USA genau wie in Europa ein unerklärliches Bienensterben. Ganze Völker verschwinden, ohne dass klar ist, warum. Im Verdacht stehen neuartige Pflanzenschutzmittel - so genannte "Neonikotinoide" - ebenso wie Krankheiten und die aus Asien eingeschleppte Varroa-Milbe, ein winziges Spinnentier, das die Bienen und ihre Brut regelrecht aussaugt.

"Es ist ernorm schwer geworden, die Bienen am Leben zu erhalten", sagt Miller, ein sonnengebräunter, schlanker Mann von 56 Jahren, der ein schwarzes T-Shirt trägt, auf dem stolz das Firmenlogo prangt: "Miller Honey Farms". Sein Urgroßvater gründete die Firma vor über hundert Jahren, er übernahm sie 1996 mit etwa 7000 Bienenstöcken. "In diesem Jahr werden wir wohl auf 40.000 kommen", sagt Miller. Er hat kräftig expandiert, verdient etwa die Hälfte seines Geldes mit dem Vermieten der Bienen zur Bestäubung, die andere Hälfte durch Honigproduktion später im Jahr. "Unsere Einnahmen sind deutlich gestiegen", sagt Miller. "Unsere Verluste aber auch."

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