Er hat was auf dem Kasten: Bienenforscher Werner von der Ohe leitet das LAVES-Institut für Bienenkunde in Celle© Harald Schmitt
Herr von der Ohe, in den vergangenen
Jahren haben
die deutschen Imker wiederholt
im Frühling Alarm
geschlagen. Die Bienenpopulationen
waren während des Winters
stark eingebrochen, mancherorts
war jedes vierte Honigbienenvolk
untergegangen. Wie ist die Lage in
diesem Jahr?
Nach den Rückmeldungen, die
wir bislang von den Imkern bekommen
haben, dürften die Verluste
deutlich unter zehn Prozent
liegen, und alles unter zehn Prozent
ist nicht alarmierend. Natürlich
wäre es ideal, wenn im
Winter gar keine Bienen sterben
würden. Aber es bleiben immer
einige Völker auf der Strecke.
Weil es im Stock zu kalt für sie wird?
Nein. Bienen können ihre Behausung
durch Muskelzittern selbst bei
minus 30 Grad noch auf angenehme
15 Grad heizen. In der Regel
sind Krankheiten, Fehler bei
der Haltung oder Ruhestörungen
für die Verluste verantwortlich.
Die Störungsanfälligkeit der Tiere
wird unterschätzt. Manchmal reichen
Straßenbauarbeiten in der
Nähe eines Stocks aus: Die Vibrationen,
die sich über den Boden
auf den Stock übertragen, lösen
bei den Bienen Stress aus. Und
wenn sie dann mitten im Winter
ausfliegen und vergebens nach
Futter suchen, ist das fatal.
Ist die entspannte Situation in diesem
Frühjahr schon Anlass zu einer
generellen Entwarnung?
Absolut nicht. Denn die größte
Bedrohung für die deutschen Bienen
ist schon seit Jahren die sogenannte
Varroa-Milbe, ein winziges
Spinnentier, das die Bienen und ihre Brut regelrecht aussaugt.
Die Bestandserholung, die wir
jetzt sehen, ist vermutlich ein biologischer
Effekt: Durch die massiven
Verluste an Bienenvölkern
sind in den vergangenen Jahren
auch viele Varroen eingegangen. Aber auch deren Populationen
werden sich regenerieren.
Die Imker müssen wachsam
bleiben - zumal ein Teil der Milben
heute noch gefährlicher ist
als früher.
Warum das?
Sie sind resistent geworden gegen
die wichtigsten Bekämpfungsmittel.
Rund 80 Prozent der Bienenzüchter
sind Freizeit-Imker, da
fehlt es manchmal an Zeit und
Know-how. Wenn jemand die
Mittel nicht fachgerecht einsetzt,
wenn er etwa mit Ameisensäure
bei zu hoher Luftfeuchtigkeit arbeitet, überleben zu viele Parasiten.
Und die sind dann ein noch
größeres Problem als vorher.
Die Varroa-Milbe ist nicht die einzige
Gefahr für die heimischen Honigbienen.
Welche Rolle spielt der
Mensch?
Seit einigen Jahren beobachten
wir, dass sich die Fülle des Nahrungsangebots
auf einen immer
kürzeren Zeitraum zusammendrängt.
Die Blütenpracht explodiert
kurz und heftig, und von
Juni bis Oktober stehen den Honigbienen
dann nur noch relativ
wenige blühende Pflanzen zur
Verfügung, in manchen Regionen
geraten sie während des Sommers
in eine Mangelsituation. Das liegt
zum einen an der Klimaveränderung,
zum anderen an der
schrumpfenden Vielfalt der Vegetation.
Auf Ertrag getrimmte Wiesen
enthalten zwar üppige Gräser,
aber kaum noch Blumen. Es
fehlt an blühenden Heckenstreifen
und Feldrainen. Und dort, wo
teppichartiger englischer Rasen
eingerahmt von Kalksplitt zwischen
Thujenhecken wächst, ist
für eine Biene einfach nichts zu
holen. Wer etwas für die Tiere tun
will, sollte in seinem Garten eine
Vielfalt von Gewächsen anpflanzen,
die nacheinander bis in den
Herbst hinein Blüten tragen.
Wie stark schaden Pflanzenschutzmittel
den Bienen?
Einige Insektizide haben zu den
Problemen beigetragen. Das große
Bienensterben in Südwestdeutschland
im vergangenen Jahr, bei
dem über 11.000 Bienenvölker von
rund 700 Imkern eingingen oder
geschädigt wurden, ging maßgeblich
auf Clothianidin zurück - eine Substanz, die dem Nikotin
ähnelt. Mit diesem Nervengift
wird das Saatgut von Raps, Mais
und anderen Pflanzen gebeizt, um
es vor Schädlingen zu schützen.
Einige Maissaatchargen enthielten
damals hohe Konzentrationen
des Wirkstoffs, und beim Aussäen
wurde dieser dann abgerieben
und in Staubwolken vom Wind
verdriftet. Das führte zur Kontamination
umliegender Bienenweiden
- die Giftdosis war teilweise
so hoch, dass die Bienen direkt
vor Ort starben. Das Bundesamt
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
hat daraufhin
die Zulassung von Clothianidin
als Beizmittel für Mais und
einige
andere Saaten vorerst zurückgezogen.
Das Beispiel zeigt,
dass das Risiko für Bienen nicht
immer gründlich bedacht wird,
wenn neue Pflanzenschutzmittel
zugelassen werden. Da muss der
Gesetzgeber nachbessern.
Sind die Chemikalien nicht auch
eine Belastung für die Honigqualität?
Trotz einiger Schwierigkeiten ist
Honig immer noch eines der
reinsten Lebensmittel, die es gibt.
Das liegt daran, dass Bienen mit
Pflanzenschutzmitteln besprühte
Flächen meiden. Die Tiere verfügen
über einen guten Riechsinn
und empfinden den Geruch der
Pestizide wohl als unangenehm.
In den vergangenen Jahren konnte
man den Eindruck gewinnen, dass
mit den Bienen auch die Bienenhalter
wegstarben. Viele Imkerverbände
klagten über Nachwuchsmangel.
Wenigstens das ist glücklicherweise
kein Problem mehr! Durch
die zahlreichen Veröffentlichungen
über das Bienensterben sind
in den vergangenen zwei Jahren
viele junge Leute neugierig auf
die Hobby-Imkerei geworden. Die
Nachwuchskurse beim Institut
für Bienenkunde in Celle und an
vielen anderen Stellen sind komplett
ausgebucht. Die Imkerei
brummt wieder.
Gefunden in ...
Stern
Ausgabe 22/2009