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Bienen, Lügen und evidenzbasierte Politik

In öffentlichen Debatten lässt sich Desinformation nie ganz vermeiden. Wissenschaftler sollten umso mehr darauf achten, Entscheidungsträger gut informiert zu halten, rät die Zoologin Lynn Dicks von der Universiy of Cambridge.

Bienenrettung liegt voll im Trend. Die Tiere stehen nicht nur unter dem Druck von Krankheiten und Lebensraumverlust, seit Kurzem drängt sich eine neue, heimtückische Gefahr in den Vordergrund: Die Sorge der Umweltschutz- und Wissenschaftskreise um eine Wirkstoffklasse landwirtschaftlicher Insektizide hat das politische Parkett erreicht. In diesen Tagen entscheidet ein Fachausschuss der EU, ob bestimmte Anwendungen von Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid für zwei Jahre verboten werden sollen. Diese so genannten Neonicotinoide gelangen als systemische Insektengifte ins pflanzliche Gewebe. Während sie Blätter und Stängel der Pflanzen vor Angriffen durch Blattläuse und andere Schädlinge schützen, wirken sie auf Bienen latent giftig und beeinträchtigen deren Nahrungssuche und Brutpflege erheblich.

 

Wie auch immer die Entscheidung der EU ausfällt – ein letztes Wort wird damit nicht gesprochen sein. Das Verbot würde Forschern und Entscheidungsträgern eher zunächst die Zeit verschaffen, mehr über die Wirkung von Neonicotinoiden auf Bienenvölker herausfinden zu können. Denn gleich was die Streitparteien behaupten: Der Zusammenhang zwischen Bienenrückgang und Neonicotinoiden ist bisher alles andere als klar. Ende letzten Jahres befragte mich das britischen Parlament zu diesem Thema als Experte: Eine lehrreiche Erfahrung für mich, die deutlich macht, wie wir Wissenschaftler Politik und öffentlichen Diskurs informiert halten können – oder eben nicht.

Zweifellos minimiert sich die womöglich große Gefahr für die Bienen, wenn die Neonicotinoid-Behandlung von nektar- und pollenreichen Pflanzen wie etwa Raps eingeschränkt wird. Vielleicht ist das sogar wirklich ein entscheidender Schritt, um den Rückgang von Bienen und anderen Blütenbesuchern aufzuhalten oder gar umzukehren. Doch einigen Umweltaktivisten reicht das noch nicht: Sie schildern das Problem als die Todesgefahr schlechthin für eine nicht genauer definierte Vielzahl von Bienenarten. Zweieinhalb Millionen Menschen haben eine Online-Petition unterschrieben, die EU-Politikern kundtut: "Wenn Sie jetzt schnell und bedacht handeln, könnten wir die Bienen vor dem Aussterben bewahren."

Dabei ist die Behauptung absurd, ein europäisches Neonicotinoid-Verbot würde Bienen vor dem Aussterben retten. Überall auf der Welt gibt es Bienenarten, die wirklich Gefahr laufen, ausgerottet zu werden, wie die ehemals verbreitete rostbraungefleckte Hummel (Bombus affinis), die seit den frühen 1990er Jahren aus 87 Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets in den USA verschwunden ist. Als Ursache gelten hier allerdings nicht Pestizide, sondern Krankheiten. Die Honigbiene (Apis mellifera) aber bleibt eine weit verbreitete Bienenart, die nicht unmittelbar auszusterben droht, auch wenn es in manchen Ländern dramatische Rückgänge der Bestände gegeben hat. Gutgemeinte Übertreibungen sind also gang und gäbe: Der britische Guardian zum Beispiel, eine Umweltfragen gegenüber sehr aufgeschlossene Zeitung, hat meine parlamentarische Aussage zum Thema Motten und Käfer verdreht zusammengefasst und konstatiert, drei Viertel aller britischen Bestäuberspezies, inklusive der Bienen, würden stark zurückgehen.
 
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"Phrasen dürfen die Forscher nicht abschrecken, sondern sollten sie motivieren."
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Man hört aber auch alarmistische Behauptungen zugunsten der Neonicotinoide. Eine in der landwirtschaftlichen Presse viel zitierte Schlagzeile warnt, dass die britischen Weizenerträge ohne diese Insektizidklasse um bis zu 20 Prozent sinken könnten – eine allerdings unredliche Interpretation eines industriefinanzierten Berichts. Ohnehin hat die EU nicht vor, den Neonicotinoid-Einsatz für Weizen zu verbieten, weil Weizen für Bienen nicht attraktiv ist.

Als an dieser Diskussion beteiligte Wissenschaftlerin finde ich solche Fehlinformation sehr frustrierend. Natürlich ist klar, dass sich Lügen und Übertreibungen auf beiden Seiten bei demokratischen Prozessen, die schnelle Kurswechsel herbeiführen sollen, kaum vermeiden lassen. Es ist schlicht unmöglich, große Teile der Öffentlichkeit oder die meisten der Agrarthemen behandelnden Medien allein durch gründlich durchdachte Erläuterungen zu begeistern. Überdies reagieren Politiker sehr viel bereitwilliger auf die öffentliche Meinung als auf die Wissenschaft.

Als Präzedenzfall für diese Tendenz lässt sich das Montreal-Protokoll heranziehen, das 1987 zum Schutz der Ozonschicht Fluorchlorkohlenwasserstoffe verbot: ein Paradebeispiel schneller politischer Reaktion auf wissenschaftliche Entwicklungen. Beschlossen wurde es indes vor dem Hintergrund wilder Geschichten über unzählige neue Krebsfälle, und entgegen der Warnung der Industrie, dass die US-Wirtschaft Milliarden zu verlieren drohe.

Natürlich sind rasch beschlossene politische Reaktionen nicht unbedingt auch besonders clever. Das konnte man bei der europäischen Biospritpolitik beobachten. Das Ziel lag hier bei zehn Prozent erneuerbarem Kraftstoff an den Tanksäulen bis 2020 – obwohl es von Anfang an Hinweise gab, dass dieses nicht der beste Weg war, Treibhausgas-Emissionen durch erneuerbare Energien zu senken.

Aus solchen Gründen bleibt ein direkter Draht der aktiven Forschergemeinde zu den Entscheidungsträgern extrem wichtig. Phrasen dürfen die Wissenschaft dabei nicht abschrecken, sondern sollten sie motivieren. Wir müssen uns in jeder Hinsicht in die Debatte einbringen und den bestmöglichen Kontakt zur Politik pflegen, um verlässliche, gut belegte und unabhängige Informationen bereitzustellen.

Lügen wie Übertreibungen lassen sich nicht so einfach abstellen – kümmern sollte uns dies aber nicht. Als ich die vom Guardian mir zugeschriebene, überdrehte Behauptung zum Bienensterben las, habe ich keine Gegendarstellung verlangt. Immerhin sind die korrekten Informationen ja, mitsamt Belegen, in einen parlamentarischen Bericht eingeflossen – einen Bericht, der anders als die überzeichnete Schlagzeile von den Beratern der Politiker genau gelesen wird, die für Großbritannien dann eine endgültige Entscheidung fällen. Durch Berichte wie meinen, oder auch die neue Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, können wir ziemlich sicher sein, dass die Entscheidung über den Einsatz von Neonicotinoiden in Europa auf einer ordentlichen Faktengrundlage basieren wird – und nicht auf der Idee, das man 20 Prozent Ertragseinbußen für Weizen oder den Tod aller Bienen der Welt vermeiden könne.

Dieser Text erschien unter dem Titel "Bees, lies and evidence based policy" in Nature.


 © Spektrum.de online 04.03.2013
Lynn Dicks
Die Autorin ist Mitglied des Natural Environment Research Council für Wissensaustausch an der University of Cambridge, Großbritannien.

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